Zwar habe auch ich häufiger davon gehört, dass bei einer gleichgeschlechtlichen Verpaarung ein Hahn die Weibchenrolle übernimmt als von dem umgekehrten Fall, doch mag das auch seine Ursache darin haben,
a) dass es bei manchen Arten mehr Männchen als Weibchen gibt und
b) dass aufgrund bekannter Vorurteile Männchen immer noch bei vielen Haltern beliebter sind als Weibchen und von daher die Verpaarung zweier Männchen häufiger auftritt

Ich selbst habe bei meinen Mohrenkopfenpapageien den umgekehrten Fall erlebt:
ein Mohrenkopf hat sich gegenüber seinem ersten Partner stets wie ein Weibchen verhalten. Als der erste Partner verstarb und ich als neuen Partner ein durch eine Endoskopie als Weibchen bestimmtes Tier dazusetzte, zeigte mein alter Mohrenkopf eindeutig männliche Verhaltensweisen (einschließlich der Kopulation). Zunächst dachte ich,  er sei also doch ein Männchen.
Daneben aber entwickelte der Mohrenkopf zunehmend auch Verhaltensweisen, die ein Weibchen zeigt (bspw. Scharren am Boden).

Ein  DNA-Test ergab später, dass es sich tatsächlich um ein Weibchen handelt.
So kann ich nur bestätigen, was Hoppe/Welcke bemerken:
dass eine Geschlechtsbestimmung anhand der Verhaltensweisen oft zu Fehlinterpretationen führen, da

„….gleichgeschlechtliche Papageien … Dominanz, Drohverhalten, Partnerfüttern und selbst eine Art von Kopulation [zeigen] … Lorenz (1939) verweist darauf, dass innerhalb einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft ein Vogel die geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen des jeweiligen Gegengeschlechts übernimmt …“

Hoppe/Welcke, Langflügelpapagein, S. 3


Hier ist nicht einschränkend nur die Rede von männlichen Paaren und der Übernahme der Weibchenrolle durch einen Hahn.

Dies veranlasste mich, ein wenig bei Lorenz zu blättern:
Lorenz unterscheidet drei Typen der Paarbildung bei Vögeln, bemerkt aber selbst, dass diese Unterteilung noch unvollständig ist und dass es zum Wesen des Begriffs „Typus“ gehört, dass er in keinem konkreten Einzelfall verwirklicht zu finden ist:

1. Der Eidechsen-Typus ist dadurch gekennzeichnet, dass Imponiergehabe und das Prachtkleid als dauernd zur Schau gestelltes Imponiergehabe keinen Einfluss auf geschlechtsgebundene Triebhandlungen des Weibchens hat. Das Weibchen reagiert vielmehr wie ein schwächeres Männchen und flieht. Es kommt zur Verfolgung und zur „Vergewaltigung“ des fliehenden Tieres (ein nahezu gleich starkes Männchen reagiert dagegen ebenfalls mit Imponiergehabe, als Folge kommt es zum Kampf).
U .a. bei vielen Entenarten findet sich diese Form der Paarbildung. Dabei gibt es auch „Vergewaltigungsversuche“ eines männlichen fliehenden Vogels.

2. Bei dem Labyrinthfisch-Typus besteht eine Rangordnung zwischen den Geschlechtern in der Form, dass Weibchen rangniedriger sind
Zumindest bei diesem Typus ist die Übernahme der Männchenrolle durch Weibchen möglich:

„Grundsätzlich ist festzuhalten, dass bei Vögeln mit Labyrinthfisch-Typus jedes Individuum die Neigung hat, die männlichen Verhaltensweisen zu entwickeln, und dass es die von dem Geschlechtspartner ausgehenden Reize sind, die beim Weibchen die männlichen Handlungen unterdrücken und sozusagen erst Platz für die weiblichen schaffen. Das männlicher Gesellschaft beraubte, allein gehaltene Weibchen neigt fast stets zum männlichen Imponiergehabe…“

Konrad Lorenz 1935, Der Kumpan in der Umwelt des Vogels in: dtv wissenschaftliche reihe 1973, S.134f.

Umgekehrt zeigen weit unten auf der Rangordnung stehende männliche Vögel keine männlichen Verhaltensweisen.
Beispiele für Verpaarungen nach diesem Typus finden sich u.a. bei Raben und Dohlen, aber auch bei anderen Entenarten.

Bekannt ist ja auch, dass alleingehaltene Kanarienhennen zu singen beginnen.

3. Der letzte Typus ist der Chromiden-Typ, bei dem keine Rangordnung zwischen den Geschlechtern besteht und bei dem beim Weibchen das Imponiergehabe erhalten bleibt, jedoch in Reaktion auf das Imponiergehabe eines Männchens statt in einen Kampf in eine „Zeremonie“ mündet (bspw. das Klappern der Störche). Die Individuen jener Vogelarten, deren Paarung dem Chromiden-Typus nahe stehen, sind nicht geschlechtlich ambivalent, d.h. bei ihnen ist (sieht man vom Imponiergehabe ab) nicht das Verhalten des Gegengeschlechts angelegt. Weiterhin ist kennzeichnend, das selbst bei in Dauerehen lebenden Arten der Partner durch ein Tier des gleichen Geschlechts und des gleichen physiologischen Zustandes ersetzt werden kann.
Bei Vögeln, deren Verpaarung nach dem Chromiden-Typ erfolgt, ist, wenn ich es richtig verstehe, die Übernahme der Rolle des Gegengeschlechts nicht möglich (z.B. Schwäne, Gänse).1Lorenz 1935, a. a. O., S. 125ff.

Andere Papageienarten scheinen dagegen eher den Chromiden-Typus nahe zustehen: eine eindeutige Geschlechterdominanz lässt sich meines Erachtens bspw. nicht bei den Nymphensittichen oder den Graupapageien ausmachen. Die Rangfolge zwischen den Tieren wird nicht durch das Geschlecht, sondern anhand anderer Merkmale bestimmt.

Welche Bedeutung haben diese theoretischen Überlegungen nun für die Verpaarung?

Gerade in der Wohnungshaltung besteht oft keine Zuchtabsicht, im Gegenteil: vielfach ist der Wunsch vorherrschend, die Tiere nicht brüten zu lassen.
Sicherlich sollte unter dem Gesichtspunkt der artgerechten Haltung der Fortpflanzungstrieb der Vögel nicht bewusst unterbunden werden, denn zu einer artgerechten Haltung gehört es auch, den Vögel die Möglichkeit zur Fortpflanzung zu bieten.
Jedoch sollte man hier zwei weitere Aspekte nicht außer Acht lassen:
Bei jenen Papageienarten, die häufig im Wohnzimmer gehalten werden, würde die Zuchtabsicht eines jeden Halters möglicherweise zu einer Schwemme der betreffenden Art führen.
Tatsächlich kann eine solche Schwemme auch schon bei einigen Arten wie den Wellensittichen und den Nymphensittichen, aber auch einigen Agapornidenarten beobachtet werden.
Den Entschluss also, auf die Zucht zu verzichten, kann man in Hinblick darauf sogar als ein tierschützerische Entscheidung begreifen.
Entscheidend ist dann, wie man die Brutabsicht unterbindet.

Und hier scheint die gleichgeschlechtliche Verpaarung auch deshalb eine legitime Lösung, weil bei einigen Papageienarten auch im Freileben gleichgeschlechtliche Paarbildungen beobachtet werden konnten.

Die Ausführungen zu den drei verschiedenen Paarbildungs-Typen lassen es naheliegend erscheinen, das sich gleichgeschlechtliche Verpaarungen vor allem bei Papageienarten finden, die dem Chromiden-Typus nahe stehen, da es hier keine eindeutiges Geschlechterverhalten gibt.
Von daher sind die Chancen, das eine gleichgeschlechtliche Verpaarung „funktioniert“, d.h. die Vögel ein harmonisches Paar bilden, stressfrei zusammenleben können und
ihre wesentlichen Grundbedürfnisse durch den gleichgeschlechtlichen auch befriedigt werden können und so Frustrationserscheinungen und Verhaltensstörungen nicht auftreten, bei Vögeln, die dem Chromidentypus zuzuordnen sind, besonders hoch.
Ist der Erfolg einer gleichgeschlechtlichen Verpaarung bei Papageienarten, die eher dem Labyrinthfisch-Typus zuzuordnen wären, daher von vornherein auszuschließen?
Meiner Ansicht nach nein: hier jedoch sollte stets das nicht-dominante Geschlecht miteinander verpaart werden, bei Wellensittichen also zwei Männchen, bei Rosellasttichen zwei Weibchen. Bei der Verpaarung des dominanten Geschlechts dagegen ist die Wahrscheinlichkeit, das sich die beiden Tiere vertragen werden, meiner Ansicht nach sehr viel geringer.

Um keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen:
Ich halte die gleichgeschlechtliche Paarung nur für einen Notbehelf. Auf alle Fälle ist, selbst wenn keine Zuchtabsicht besteht, die gegengeschlechtliche Verpaarung immer vorzuziehen und auch die Form, bei der die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs der Verpaarung noch größer ist.
Auch hier kann versucht werden, die Brutabsicht der Vögel durch „natürliche“ Methoden
einzuschränken. Wenn diese Methoden allerdings nicht greifen, sollte man zum Wohle der Vögel diese auch brüten lassen!
Das heißt aber auch, dass auch der Wohnzimmerhalter auf die Brut seiner Vögel vorbereitet sein sollte, d.h. über ausreichend Platz, eventuelle Separierungsmöglichkeiten von brutwilligen Paaren, den entsprechenden Sachkenntnissen und nicht zuletzt auch über die erforderliche Zuchtgenehmigung verfügen sollte.

Einzelnachweise / Anmerkungen

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